Das unerfahrene Okapiweibchen Nyota schien sich nach der Niederkunft mit ihrer neuen Rolle als Mutter noch nicht anfreunden zu können. „Sie hat sich eigentlich optimal verhalten und alles richtig gemacht“, sagt Tierpfleger Matthias Berndt. „Nyota hat das Jungtier auch zum Euter hingeführt, aber letzten Endes leider nicht trinken lassen.“ Die erste Milch bekam das Neugeborene daher erst einmal aus der Flasche.
Gerade bei einer Erstgeburt kann es durchaus vorkommen, dass die Mutter ihr Junges nicht sofort annimmt. Allerdings blieb die Situation auch in den darauffolgenden Tagen unverändert. Nyota umsorgte das Kalb zwar weiterhin liebevoll, unterband jedoch jegliche Trinkversuche nachdrücklich.
Nun übernehmen also die Tierpfleger die Versorgung des kleinen Okapibullen. Zwischen fünf und 23 Uhr bekommt er derzeit fünfmal am Tag einen halben Liter besonders fetthaltiger Milch aus der Flasche. Täglich wird seine Gewichtszunahme auf der Waage kontrolliert. Mutter Nyota hat ihr Jungtier dabei nach wie vor genau im Blick. „Sie putzt den Kleinen und verteidigt ihn auch“, erzählt Berndt. „Bei der Fütterung trennen wir sie daher ab. Abgesehen davon ist es wichtig für die Prägephase, dass wir den menschlichen Kontakt auf das Nötigste begrenzen.“ Der Tierpfleger spricht aus Erfahrung, schließlich wurde auch Nyota in der Wilhelma nach dem plötzlichen Tod ihrer Mutter teilweise von Hand aufgezogen. Damals übernahm Okapikuh Ibina die Rolle der Amme.
Für die weitere Entwicklung des neugeborenen Okapis ist es nun wichtig, dass es zur Ruhe kommt und weiter an Gewicht zulegt. Das Giraffenhaus des Zoologisch-Botanischen Gartens bleibt daher vorerst geschlossen. Zu sehen sind kleine Waldgiraffen in den ersten Wochen ohnehin nur mit sehr viel Glück.
Als einzelgängerische Regenwaldbewohner pflegen die im Kongo beheimateten Paarhufer ein zurückgezogenes Leben. „Okapijungtiere sind Ablieger, sie suchen sich also ein Versteck, das sie den Großteil des Tages nicht verlassen“, erklärt Matthias Berndt. „Häufig weiß noch nicht einmal die Mutter, wo genau ihr Kalb liegt. Sie kennt das grobe Areal und ruft es dann nur zum Säugen zu sich.“ Um dieses natürliche Verhalten zu ermöglichen, darf Nyota Ausflüge in das Vorgehege unternehmen. Regelmäßig kehrt sie in den Stall zurück, um nach ihrem noch namenlosen Nachwuchs zu schauen. Auf den Außenanlagen ist auch Vater Shomari unterwegs, der im vergangenen Jahr in die Wilhelma kam. Jeder Zuchterfolg ist von großer Bedeutung für die bedrohten Waldgiraffen. Der Bestand in ihrer Herkunftsregion wird auf 15.000 Tiere geschätzt. In Europa leben derzeit rund 70 Okapis in 24 Zoos.
Text und Foto: POSITIV-MEDIEN (PR-Wilhelma * Waldemar Herzog)
|