Koalas sind – anders als oft angenommen – keine Bären, sondern Beuteltiere. Nach der Geburt wandert das nur zwei Zentimeter große Jungtier in den Beutel der Mutter, in dem es heranwächst. Es verlässt den Beutel erst nach einem halben Jahr. Koalas ernähren sich ausschließlich von Blättern bestimmter Eukalyptusbäume, nämlich nur von wenigen der rund 300 Arten. Deshalb sind sie in der Natur auf einen speziellen Lebensraum angewiesen und in Zoos anspruchsvoll zu pflegen.
Da im Erhaltungszuchtprogramm der Zoos in Europa (EEP) nur wenige Koalas gehalten werden, wäre es auf diesem Wege auf längere Sicht nicht möglich gewesen, diese Tierart in der Wilhelma aufzunehmen. Dr. Kölpin hat daher eigene Kontakte nach Australien aufgebaut und über Jahre ausdauernd Verhandlungen geführt.
„Alle Mühen haben sich gelohnt“, sagt er. „Es entsteht etwas, das es in der langen Geschichte der Wilhelma noch nie gab – und wir erhalten mit zwei Männchen und zwei Weibchen gleich eine Gruppe, so dass wir auch in die Zucht einsteigen können.“ Das gibt es hierzulande sonst nur im Zoo Duisburg. Als einzige andere Koala-Haltungen in Deutschland verfügen die Zoos Leipzig und Dresden jeweils über zwei Männchen. Der Artenschutz ist zentraler Bestandteils des Koala-Projekts der Wilhelma sowohl im Zoo als auch im Herkunftsland der Tiere. „Dafür kooperieren wir mit der Regierung, Universitäten und der DWF-Stiftung in dem australischen Bundesstaat Queensland“, erklärt Kölpin.
In Stuttgart werden die Koalas als Botschafter des Fünften Kontinents die Stars des Australienhauses sein, das bis 2021 in der Wilhelma entsteht. Nachdem auch die Orang-Utans in die moderne Menschenaffen-Anlage im oberen Parkteil eingezogen sind, kann das alte Menschenaffenhaus umgebaut werden. „Das wird sicher ein Kraftakt für uns, aber der wird sich für die Tiere und die Besucher gleichermaßen lohnen“, erklärt der Direktor, „wir werden dort einen kontinentalen Schwerpunkt Australien schaffen, so wie wir es mit den Asien-Anlagen entlang der Pragstraße vorhaben.“ Die Zuordnung soll den Besuchern die regionalen Zusammenhänge veranschaulichen.
Entsprechend bleiben auch die Koalas im Australienhaus nicht allein. Sie erhalten Gesellschaft von markanten Tierarten aus Downunder. Gesetzt sind Baumkängurus. Für die weitere Besetzung laufen Gespräche, die aber ebenfalls Ausdauer erfordern. Australien ist sehr zurückhaltend, Tiere ins Ausland zu geben. Doch gibt es die inzwischen Erkenntnis, dass es für den Fortbestand von nur dort in der Natur vorkommenden Tierarten überlebenswichtig sein kann, eine Reservepopulation im Ausland zu haben – für den Fall, dass eine Seuche oder Naturkatastrophe die Bestände in Australien drastisch reduziert.
Die künftigen Stuttgarter Koalas stellt die Dreamworld Wildlife Foundation (DWF) in Sydney zur Verfügung. Dies ist eine Stiftung des größten Freizeitparks Australiens in der Stadt Gold Coast. Sie fördert Artenschutz, Forschung und Umweltbildung. Die Wilhelma unterstützt mit jedem neuen Großprojekt im Zoologisch-Botanischen Garten immer auch ein Projekt in der Herkunftsregion der jeweiligen Tierart. Daher engagiert sich die Wilhelma im Gegenzug über die DWF für die Koalas in Australien. Die Unterart der Queensland-Koalas, wie sie in die Wilhelma kommen, stehen auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN als in ihrem Überleben „potenziell gefährdet“. Ihnen setzen der Schwund und die Zergliederung ihres Lebensraums ebenso zu wie Krankheiten.
Deshalb ist eine Kernaufgabe des DWF-Projektes, die Vermehrung dieser immer selteneren Tiere in ihrem natürlichen Lebensraums anzukurbeln und den genetischen Austausch zwischen Tiergruppen in räumlich getrennten Lebensräumen zu fördern. Das Projekt analysiert die genetische Vielfalt der in Queensland lebenden Koalas, ob in der Natur oder in menschlicher Obhut. Entstehen soll quasi eine „lebende Genom-Bank“, also ein Reservoir an Tieren, die genetisch sehr vielfältig sein sollen, um die Population möglichst widerstandsfähig zu machen. So bringen die Wissenschaftler die Blutlinie wildlebender Koalas in Gruppen ein, die in menschlicher Obhut leben, und wildern umgekehrt genetisch besonders seltene Koalas aus. Die Forscher entnehmen dafür kurzzeitig Weibchen, um sie künstlich zu besamen und dann in ein anderes Biotop umzusiedeln.
Das Programm wird die Wilhelma im neuen Australienhaus dokumentieren. Dort soll außerdem eine Präsentation der Lebenswelt der Urbevölkerung das interkulturelle Verständnis mehren. Queensland ist der Bundesstaat, in dem die meisten Aborigines leben. Zu den Kooperationspartnern zählen neben der Wilhelma und der Dreamworld Wildlife Foundation noch die University of Queensland, die Queensland University of Technology sowie das Moggill-Rehabilitationszentrum für Koalas. Dieses Hospital für kranke, verletzte und verwaiste Koalas betreibt das Umwelt- und Wissenschaftsministerium von Queensland.
Text und Foto: POSITIV-MEDIEN (PR-Wilhelma * Waldemar Herzog)
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